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Klimaschutz und Generationen- gerechtigkeit
– Das Recht auf Zukunft

Dialogforum im Rahmen des Münchner Klimaherbst 2023 am 26. Oktober 2023

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    Der Klimawandel wirft viele Gerechtigkeitsfragen auf. Eine davon lautet: Wie lassen sich die notwendigen Lasten und Kosten für mehr Klimaschutz und -anpassung fair zwischen heutigen und künftigen Generationen aufteilen? Eine einfache Lösung der Interessenskonflikte zwischen Jung und Alt gibt es nicht. Umso wichtiger ist der Dialog miteinander, um Verständnis für die andere Seite zu schaffen und Lagerdenken zu vermeiden. 

    Grundsätzlich besteht kein Zweifel, dass wir alle mehr zum Schutz des Klimas beitragen müssen. Je nach Lebensphase haben die Menschen aber unterschiedliche Lebensstile, Bedürfnisse und finanzielle Möglichkeiten. Bei der Frage der Generationengerechtigkeit geht es darum, ein Gleichgewicht zwischen den sozialen und wirtschaftlichen Interessen von heute und in der Zukunft herzustellen. Die Bedürfnisse der jetzt lebenden Menschen sollen so befriedigt werden, dass sie den künftigen Generationen nicht ihrer Entwicklungschancen berauben. Im Sinne der Nachhaltigkeit müssen zwingend auch ökologische Folgen von wirtschaftlicher Entwicklung in diese Perspektive eingebunden werden.

    Mangel an politischem Willen

    „Die Konzepte für mehr Klimaschutz stehen, es fehlt allein am politischen Willen, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen“, kritisierte Alisa Odobasic, die seit zwei Jahren bei der Klimaschutzbewegung „Fridays for Future (FFF)“ in München aktiv ist. Sie erinnerte in diesem Zusammenhang an den erst Anfang des Jahres durchgesetzten Braunkohleabbau im nordrhein-westfälischen Lützerath oder an das abgeschwächte Klimaschutzgesetz, das die Verantwortlichkeiten für die sektoralen Klimaziele in Deutschland verwischt. 

    Die große Ungerechtigkeit bestehe darin, dass Jugendliche, ärmere Menschen und Menschen im globalen Süden am stärksten unter dem Klimawandel litten, obwohl sie am wenigsten dazu beigetragen hätten. Auch müssten junge Stimmen wie sie selbst besonders hart kämpfen, um überhaupt gehört zu werden. „Das belastet viele jüngere Menschen auch psychisch“, bekannte Odobasic. Von der älteren Generation erwartet sie, dass sie sich ihrer Verantwortung für den Klimawandel stellt und bereit für Veränderungen ist. „Statt dessen stelle ich oft fest, dass wir als junge Aktivist:innen belächelt werden und uns die Expertise abgesprochen wird.“ 

    Alisa Odobasic kritisiert, dass junge Aktivist:innen nicht ausreichend ernst genommen werden.

    Klimapolitik von unten aussichtsreich

    Dass Staaten nicht die besten Akteure sind, um dem Klimawandel Herr zu werden, machte Jörg Tremmel deutlich. Er ist Professor an der Eberhard Karls Universität Tübingen und Wissenschaftlicher Direktor der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. „Regierungen sind Lobbyisten für Partikularinteressen. Dass die sich auf gemeinsame Klimaschutzziele einigen, ist eher unwahrscheinlich.“ Eine Chance, den Klimawandel zu bremsen, sieht er darin, dass jeder seinen persönlichen CO2-Fußabdruck ermittelt. Dadurch könne man die Lücke zwischen Klimabewusstsein und dem individuellen Handeln verringern. „Wir brauchen Ansätze von unten. Eine Klimapolitik, die die Bevölkerung nicht einbezieht, funktioniert nicht“, stellte er klar. Neben dem Individuum seien auch die Unternehmen in der Pflicht. So gehe Microsoft-Gründer Bill Gates mit gutem Beispiel voran, indem er sein Unternehmen nicht nur für die Zukunft klimaneutral aufgestellt habe, sondern auch vergangene Emissionen kompensiert. 

    Im Sinne der Klimagerechtigkeit formulierte Tremmel einen neuen kategorischen Imperativ: „Wenn du ein Unternehmen oder eine Privatperson bist, bringe deinen CO2-Fußabdruck auf null. Wer in Uganda oder Ghana mit nur einem ganz kleinen Fußabdruck lebt, muss weniger Aufwand betreiben als jemand der reich ist, viel fliegt oder Fleisch isst.“ Die moralische Anforderung sei für alle gleich, der Weg zum Ziel aber für manche viel weiter, was nicht ungerecht sei. Nur wenn jemand tatsächlich nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfüge, sollte man diesen kategorischen Imperativ nicht anwenden. 

    Prof. Hubertus Bardt, Geschäftsführer und Leiter Wissenschaft am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, betonte die wirtschaftliche Stärke als wichtigen Faktor für den Klimaschutz. „Aus einer Position der wirtschaftlichen Stärke heraus ist es leichter, Geld für Klimaschutz zu mobilisieren oder die entstehenden sozialen Konflikte zu befrieden“, zeigte er sich überzeugt. Zielkonflikte bestünden nicht nur zwischen Wohlstand oder Klimaschutz, sondern zeigten sich auch ganz konkret etwa bei der Diskussion um Atomkraft. 

    Am 26. Oktober diskutierten die drei Podiumsgäste über die Frage der Generationengerechtigkeit.

    Sorge vor wirtschaftlichen Nachteilen hemmt

    Zudem hält Bardt die Fokussierung ausschließlich auf den Klimaschutz für falsch. Vielmehr gehe es darum, die Industrie in eine klimaneutrale Zukunft zu führen. Deshalb greife die Forderung von Prof. Tremmel zu kurz, lediglich die Emissionen auf Null zu reduzieren. Denn damit verbunden seien Ängste vor wirtschaftlichem Abstieg, weshalb viele Länder dem Klimaschutz keine hohe Priorität einräumen. „Das Streben Chinas nach mehr Wachstum hat in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich zum Anstieg der Treibhausgasemissionen beigetragen“, erklärte er. Man müsse daher gerade für wirtschaftlich aufstrebende Länder Lösungen finden, etwa durch den Einsatz neuer Technologien. „Die Entwicklung in China darf uns in Indien nicht noch einmal passieren,“ warnte er.

    Ungelöst blieb die Frage, inwieweit historische Emissionen bei der Gerechtigkeitsfrage eine Rolle spielen sollten. Während FFF-Aktivistin Odobasic auf die große Verantwortung von Deutschland für die heutige CO2-Konzentration in der Atmosphäre hinwies, hält Tremmel das Jahr 1990 aus klimaethischer Sicht für entscheidend. Damals erst sei die Wissenschaft in großer Mehrheit zu der Erkenntnis gelangt, wie klimaschädlich die zunehmenden CO2-Emissionen seien. „Schuld kann nur entstehen, wenn man etwas falsch macht, was man hätte besser wissen können“, argumentierte er. Außerdem sei ein Teil der seit der Industrialisierung im Jahr 1850 ausgestoßenen CO2-Emissionen durch natürliche Effekte wieder abgebaut. „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“, hielt Odobasic dagegen. Auch ohne bösen Willen seien die Emissionen nun einmal in der Atmosphäre, und man müsse eine gerechten Weg finden, damit umzugehen. 

    Uneinigkeit gab es bei der Frage der historischen Verantwortung bei den Diskutant:innen.
    Alisa Odobasic, Prof. Jörg Tremmel, Prof. Hubertus Bardt und Moderatorin Julia Pfinder

    Das richtige Wachstum ist entscheidend

    Würde der Verzicht auf künftiges Wachstum etwas bringen? „Ohne Wachstum bekommen wir Verteilungskonflikte, die schwer zu lösen sind, und dann werden auch Ressourcen für den Klimaschutz knapp. Das wäre also kontraproduktiv“, befürchtet Bardt. Wachstum dürfe aber nicht bedeuten, natürliche Ressourcen unbegrenzt zu nutzen oder beliebig CO2 zu emittieren.  

    Einen Königsweg, um die Lasten des Klimawandels zwischen den Generationen fair aufzuteilen, gibt es leider nicht. Zu unterschiedlich sind die Interessen und die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten, zumal jede Generation keine homogene Gruppe darstellt. Jeder Einzelne von uns hat es aber in der Hand, sich im Sinne der Generationengerechtigkeit und für nachhaltige Entwicklung zu engagieren. Ein weiter wie bisher und hoffen, dass es der Staat schon richten wird, können wir uns jedenfalls nicht leisten. 

    Podiumsgäste:

    Prof. Hubertus Bardt
    Geschäftsführer, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln

    Alisa Odobasic
    Fridays for Future, München

    Prof. Jörg Tremmel
    Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen, Eberhard Karls Universität, Tübingen

    Moderation:

    Julia Pfinder
    Prozess- und Beteiligungsmoderatorin, Systemische Organisationsberaterin, München

    Weitere Informationen

    Die Veranstaltungsreihe Münchner Klimaherbst lief vom 6. bis 31. Oktober 2023. Unter dem Titel „Fair enough?” ging es in diesem Jahr um Klima und Gerechtigkeit. Im gesamten Stadtgebiet fanden zahlreiche Vorträge, Filme, Exkursionen, Diskussionen und vieles mehr statt.

    Mit dem Klimaherbst.YOUTH gibt es außerdem vom 6. Oktober bis 5. November 2023 ein Extra-Programm, das sich an Kinder, junge Menschen von 14 bis 30 Jahren und Pädagog:innen richtet.

    Alle Veranstaltungen sind online zu finden unter www.klimaherbst.de/kalender sowie im Klimaherbst.MAGAZIN und dem Klimaherbst.YOUTH-Flyer, die im gesamten Stadtgebiet ausliegen oder bestellt werden können.