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Klimaschutz durch Unternehmen und Märkte – Verantwortung übernehmen und Chancen nutzen

Dialogforum in Kooperation mit der Katholischen Akademie in Bayern

29. Oktober 2025, 19 Uhr

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    Multiple Krisen rücken den Klimaschutz in den Hintergrund. Die Politik sieht sich mit Forderungen aus der Wirtschaft konfrontiert, Regelungen und Ziele zum Klimaschutz abzuschwächen oder sogar ganz zurückzunehmen. Wie lässt sich mit einem marktwirtschaftlichen Rahmen gegensteuern, der klimapositives Handeln ermöglicht und belohnt? Welche Spielräume eröffnen sich dabei für kreative Geschäftsmodelle, für neue Technologien und für wirtschaftliche Allianzen? 
    Ein Mann spricht an einem Rednerpult vor einem Banner der Katholischen Akademie in Bayern.
    © Oliver Jung / Munich Re Foundation
    Dr. Martin Dabrowski begrüßt das Publikum im Namen der Katholischen Akademie in Bayern
    Immer mehr Länder halten die Vorgaben der EU in Bezug auf den Klimaschutz für zu ambitioniert. Sie fürchten um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen, da andere Länder außerhalb der EU weit weniger strenge Auflagen machen. Prof. Andreas Löschel, Inhaber des Lehrstuhls für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit an der Ruhr-Universität Bochum, hält diese Sichtweise für zu kurzsichtig: „Klimaschutz verursacht Belastungen, die sich aber langfristig und global lohnen, und er eröffnet Chancen für Unternehmen.“ Natürlich würden manche Firmen stärker belastet als andere, gerade in Deutschland mit seiner energieintensiven Industrie. „Wir befinden uns in der Mitteltechnologiefalle, in der – überspitzt formuliert – Technologien des vergangenen Jahrhunderts wie der Automobilbau oder die Chemie dominieren, während in anderen Ländern Hightech-Industrien das Wachstum vorantreiben.“ 
    Ein Mann in einem Anzug sitzt in einem roten Sessel und spricht in ein Mikrofon, während er gestikuliert.
    © Oliver Jung / Munich Re Foundation
    Klimaschutz verursacht Belastungen, die sich aber langfristig und global lohnen, und er eröffnet Chancen für Unternehmen.
    Prof. Andreas Löschel
    Inhaber des Lehrstuhls Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit, Ruhr-Universität Bochum

    Spielraum für Innovationen nutzen

    Eine ausgeprägte Tendenz zur Besitzstandswahrung führt dazu, dass man im Grunde nichts ändern will. Die globale Entwicklung geht jedoch in eine andere Richtung, von der man sich nicht abkoppeln kann. „Wir müssen eine Diskussion anstoßen, wie man den Klimaschutz besser und effizienter als heute voranbringen kann“, forderte er. Bei der Elektrifizierung der Wirtschaft gebe China den Takt vor. Es existieren jedoch zahlreiche technologische Bereiche, in denen Unternehmen Lücken ausfüllen und Chancen wahrnehmen können. „Viele Technologien, etwa beim Thema Wasserstoff, bei synthetischen Kraftstoffen oder bei der CO₂-Entnahme aus der Atmosphäre, sind noch gar nicht richtig entwickelt und bieten Spielraum für Innovationen“, erklärte er.  
    Auch Christine Völzow, Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik bei der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, sieht den Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit in neuen Technologien. „Die Tatsache, dass Bayern nur einen kleinen Anteil von etwa 0,2 Prozent an den weltweiten CO₂-Emissionen hat, bedeutet nicht, dass die Unternehmen hierzulande keinen Einfluss haben“, machte sie deutlich. So verfüge Bayern mit einem Anteil von gut zehn Prozent an den europäischen Weltklassepatenten über eine hohe Wettbewerbsfähigkeit in klimarelevanten Forschungsaktivitäten. Es sei falsch zu glauben, dass es die eine Game-Changer-Technologie gebe. Allein Bayern verfüge in 28 Bereichen über eine gute Position für Innovationen. 
    Eine Person sitzt auf einem roten Stuhl, hält ein Mikrofon und hat ein Notizbuch in der Hand. Wasserflaschen sind sichtbar.
    © Oliver Jung / Munich Re Foundation
    Die Tatsache, dass Bayern nur einen kleinen Anteil von etwa 0,2 Prozent an den weltweiten CO₂-Emissionen hat, bedeutet nicht, dass die Unternehmen hierzulande keinen Einfluss haben.
    Christine Völzow
    Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik, vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.

    Pilotprojekt virtuelles Kraftwerk

    Ein gutes Beispiel dafür ist die in München ansässige Flexa GmbH, die Europas größtes virtuelles Kraftwerk (Virtual Power Plant VPP) bauen und betreiben möchte. Ein solches VPP ist ein digitales Netzwerk, das dezentral verteilte Energieanlagen wie Solarmodule, Batteriespeicher, Wärmepumpen und Ladesäulen für Elektroautos vernetzt, um sie wie ein einziges großes Kraftwerk zu steuern. Durch intelligente Software wird überschüssiger Strom aus erneuerbaren Quellen gebündelt und ins Stromnetz eingespeist oder bei Bedarf abgerufen, was auch zur Netzstabilität beiträgt. Chief Technology Officer Sébastien Schikora erläutert die Idee dahinter: „Strom aus Gas zu erzeugen, ist um den Faktor 3 bis 5 teurer als mit Hilfe von Wind- oder Sonnenenergie. Durch die Anbindung an die Strombörse lässt sich ein virtuelles Kraftwerk jede Minute je nach Angebot und Nachfrage optimieren, das heißt es wird festgelegt, wie die einzelnen Anlagen am besten genutzt werden.“ 
    Das größte Hindernis auf dem Weg zum größten VVP Europas sieht Schikora in den unklaren politischen Rahmenbedingungen. „Wir brauchen keine höhere Förderung, sondern Klarheit darüber, wie die Märkte für erneuerbare Energien künftig funktionieren, damit wir unseren Kunden versprechen können, dass sich die Teilnahme am VVP tatsächlich rechnet“, forderte er. Die wechselnden Wirtschaftsminister, die ständig mit anderen Ideen an die Öffentlichkeit gegangen seien, hätten zu einer großen Verunsicherung beigetragen.

    Emissionshandel in Gefahr

    Ein weiteres Problem mangelnder Anreize für mehr Klimaschutz skizzierte der Umweltökonom Löschel: Nach dem Angebotsschock im Zuge des Ukraine-Kriegs sind die Preise für fossile Brennstoffe inzwischen wieder deutlich gesunken. Mit dem Instrument des Emissionshandels könnte man Öl und Gas verteuern, um die Nachfrage zu dämpfen. Doch schlägt diesem Instrument zunehmend Skepsis entgegen. „Eine andere Frage ist: Will man den Photovoltaikboom auf den Dächern weiter unterstützen und damit Netzproblemen und einem kostspieligen Ausbau Vorschub leisten?” Schon heute seien es die Kosten für die Netzinfrastruktur und nicht die der Erzeugung, die die erneuerbaren Energien verteuerten. „Wir dürfen die Netze weder zu groß noch zu klein planen, sonst laufen wir perspektivisch in Probleme mit höheren Kosten hinein“, warnte er. 
    Bezüglich der industriellen Transformation mahnte Löschel mehr Flexibilität an. „Man muss sich darauf einstellen, dass bei Wertschöpfung und Lieferketten nicht alles so bleiben kann wie bisher. Hier ist es im politischen Diskurs noch zu keiner richtig offenen Debatte gekommen“, kritisierte er. „Wir wollen nicht um jeden Preis alles erhalten”, hielt Wirtschaftsvertreterin Völzow dagegen. Es sei aber brandgefährlich, eine Branche wie die Chemie komplett abzuschreiben. Denn die Erfahrung habe gelehrt, dass so ein Ausstieg enorme Auswirkungen auf andere Industriezweige haben könnte. „Der Weg zu einer klimafreundlichen oder klimaneutralen Fertigung ist steinig“, ergänzte sie. So gebe es beispielsweise noch überhaupt keine Infrastruktur, um ein Zementwerk durch das Abscheiden und Speichern von CO₂ klimaneutral zu machen. „Wir brauchen einen Industriestrompreis, wenn wir nicht riskieren wollen, dass ganze Industrien wegbrechen und wir alles importieren müssen.“ 

    Bürokratie als Hemmschuh

    Die Experten waren sich einig, dass die technologischen Möglichkeiten, etwa im Bereich der Wasserstoffwirtschaft oder bei der Erzeugung von „grünem“ Stahl, viel intensiver verfolgt werden müssten. „Deutschland ist in der Forschung sehr stark, schafft aber die Skalierung auf einen größeren Maßstab nicht so gut“, bedauerte Schikora. Deshalb sei eine Förderung für einen Übergangszeitraum wichtig, wenn man sich nicht, wie etwa bei der Photovoltaik, erneut in die Abhängigkeit von China begeben wolle. Dort entstehen derzeit Gigafactories für Batterien und Elektrofahrzeuge in großem Stil. Völzow schlug noch in eine andere Kerbe: „Dass Innovationen bei uns nicht groß werden, liegt auch an den allgemeinen Rahmenbedingungen wie zu viel Bürokratie und zu hohen Kosten“, zeigte sie sich überzeugt. 
    Doch wie steht es jenseits von Kosten und Bürokratie um das Thema unternehmerische Verantwortung? Schikora empfiehlt, Firmenlenker und Aktionäre sollten sich von der kurzfristigen, bonusorientierten Orientierung lösen und eine mittelfristige Perspektive einnehmen, um den Wohlstand zu sichern. „Wir als Exportland müssen den Klimawandel entschlossen angehen und uns in zukunftsfähigen Industrien gut aufstellen. Jeder in seinem Bereich muss Verantwortung übernehmen.“ „Manchmal würde ich mir selbst wünschen zu wissen, wie man Unternehmen am besten zu mehr Klimaschutz motiviert“, räumte Völzow ein. Eine gute Motivation sei sicherlich die Weitergabe von Best-Practice-Beispielen, bei denen Unternehmen aus erster Hand über bewährte Vorgehensweisen berichten. 
    Ein Mann sitzt auf einem roten Sessel und hält ein Mikrofon in der Hand, im Hintergrund Wasserflaschen.
    © Oliver Jung / Munich Re Foundation
    Wir als Exportland müssen den Klimawandel entschlossen angehen und uns in zukunftsfähigen Industrien gut aufstellen. Jeder in seinem Bereich muss Verantwortung übernehmen.
    Sébastien Schikora
    Chief Technology Officer, Entrix & Flexa
    Um Klimaschutz, Wachstum und die Transformation der Industrie besser in Einklang zu bringen, sind große Anstrengungen erforderlich. Wichtig ist zu verdeutlichen, dass Klimaschutz nicht nur Kosten verursacht, sondern auch Innovationskräfte freisetzt, die den Unternehmen einen Effizienz- und Modernisierungsschub verleihen können. Das ist eine wesentliche Voraussetzung, um unseren Wohlstand und den sozialen Frieden nachhaltig zu sichern.
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    Podiumsgäste

    Prof. Andreas Löschel
    Inhaber des Lehrstuhls Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit, Ruhr-Universität Bochum

    Sébastien Schikora
    Chief Technology Officer, Entrix & Flexa 

    Christine Völzow
    Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik,  vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.  

    Moderation:

    Renate Bleich
    Geschäftsführerin der Münchener Rück Stiftung 

    Dr. Martin Dabrowski
    Studienleiter, Katholische Akademie in Bayern

    05 November 2025
    DF2024 October Oliver Jung (5)
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