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Green Economy - Klimaschutz als Geschäftsmodell

Dialogforum am 08. Februar 2022
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    Eine nachhaltige Wirtschaft, die Ressourcen schont und die Umwelt weniger belastet, ist das Ziel der „Green Economy“. Der Weg dorthin führt über einen Veränderungsprozess, der die gesamte Gesellschaft betrifft. Was muss die Wirtschaft tun? Welche Geschäftsmöglichkeiten bieten sich? Und wie kann Klimaschutz als Wachstumsmotor genutzt werden? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des 2. Dialogforums der Reihe „Smarte Lösungen für den Klimaschutz“. 

    Lange Zeit haben Unternehmen und Industrie den Klimaschutz wegen der damit verbundenen Kosten als Risikofaktor für ihren wirtschaftlichen Erfolg gesehen. Doch seit einigen Jahren findet ein Umdenken statt. Chancen, die mit einer klimaneutralen Wirtschaftsweise verbunden sind, werden zunehmend hervorgehoben. „72 Prozent der Unternehmen gehen davon aus, dass sie ihr Geschäftsmodell in den kommenden fünf Jahren erfolgreich an die Green Economy anpassen können“, erläuterte Dr. Adriana Neligan, Senior Economist für Green Economy und Ressourcen am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Sie bezog sich dabei auf eine Umfrage des IW-Zukunftspanels bei deutschen Unternehmen.

    Zwei Fünftel der Firmen sehen demnach neue Absatzmöglichkeiten für ihre klimafreundlichen Produkte und Dienstleistungen, etwa genauso viele befürchten aber, dass Kostensteigerungen ihr Geschäftsmodell gefährden. Rund 25 Prozent der Befragten rechnen damit, dass ihre Produkte an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. 

    Abwanderung von Unternehmen verhindern

    Die Stiftung KlimaWirtschaft will die Transformation zur Klimaneutralität vorantreiben. Sie ist ein Bündnis von Unternehmen, die sich dem Klimaschutz verschrieben haben und die gemeinsam mit der Politik den richtigen Rahmen dafür setzen wollen, wie Vorständin Sabine Nallinger erläuterte: „Unser Ziel ist ein branchenübergreifender Ansatz, der die komplette Wirtschaft abdeckt. Wir wollen verhindern, dass Unternehmen im Zuge des sogenannten „Carbon Leakage“ (Verlagerung von CO2-Emissionen durch Produktion im Ausland) dorthin abwandern, wo geringere Umweltstandards herrschen.“ Immer mehr Unternehmen fordern einen politischen Rahmen, der es ermöglicht, „Klimaneutralität made in Germany“ zu einem Exportschlager auf internationalen Märkten zu machen. 

    Den spürt man bei Ralf Pfitzner, der im Volkswagen-Konzern den Bereich Nachhaltigkeit leitet. Er ließ keinen Zweifel daran, dass der Autobauer sein Geschäftsmodell an die Green Economy erfolgreich anpassen wird: „Der Verkehrssektor ist für rund 14 bis 20 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich und damit sowohl Teil des Problems als auch der Lösung.“ Der Schlüssel dazu liege im Elektroantrieb. Wasserstoff sei aus Effizienzgründen weniger für die Straße als für Schiffe oder Flugzeuge geeignet.

    DF22 Feb Ralf Pfitzner
    © VW AG / Ralf Pfitzner
    Der Verkehrssektor ist für rund 14 bis 20 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich und damit sowohl Teil des Problems als auch der Lösung.
    Ralf Pfitzner
    Leiter Konzern Nachhaltigkeit, Volkswagen AG, Wolfsburg
    „Mit sinkenden Kosten für Batterien haben wir einen enormen Hebel in der Hand. Der Absatz von Elektrofahrzeugen hat sich im vergangenen Jahr verdoppelt“, freute er sich. Der VW-Konzern wolle aber nicht nur Autos verkaufen, sondern sich als Anbieter von Mobilitätslösungen etablieren. „Die Digitalisierung und neue Kombinationen aus Roller, Fahrrad, Zug und öffentlichem Personennahverkehr werden hier ganz neue Potenziale eröffnen“, ist Pfitzner überzeugt. Zumal die Bedürfnisse nach Mobilität nicht signifikant sinken dürften. Dass VW erst so spät auf die E-Mobilität gesetzt habe, sei rückblickend ein Fehler gewesen. „Ich will die Historie nicht entschuldigen, aber wir wissen aus vielen Diskussionen, dass die Rolle der Automobilindustrie im Schulterschluss mit der Politik nicht die fortschrittlichste war“, räumte er ein. Der Dieselskandal habe sich jedoch als Weckruf für VW erwiesen, um fundamental umzusteuern.

    Green Economy erfordert gesellschaftlichen Umbau

    DF22 Feb Wolfram Günther
    © Tom Schulze
    Die Wirtschaft hat beim Ausbau der Erneuerbaren Energien die Führung übernommen und ist oft schon viel weiter als die Politik.
    Wolfram Günther
    Staatsminister, Sächsisches Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (SMEKUL), Dresden

    Dass aus der Wirtschaft völlig neue Töne kommen, kann Wolfram Günther, Staatsminister im Sächsischen Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft, nur bestätigen. „Die Wirtschaft hat beim Ausbau der Erneuerbaren Energien die Führung übernommen und ist oft schon viel weiter als die Politik.“ Allerdings müsse der Weg zur Green Economy die gesamte Gesellschaft erfassen. Dazu gehören Faktoren einer umweltverträglichen Wirtschaft wie Ressourcenverbrauch und Emissionsreduktion genauso wie die nachhaltige Gestaltung von Produkten, von Versorgungssystemen und Infrastrukturen. Auch Fragen nach Lebens- und Arbeitsbedingungen, Konsummustern, Produktlebenszyklen und Finanzierungsmodellen gelte es zu beantworten. 

    „Viele kleine Startup-Unternehmen haben da bereits Ideen entwickelt, die durch den  notwendigen Umbau der Wirtschaft eine reale Chance bekommen“, meinte der Minister. Die Politik müsse das durch günstige Rahmenbedingungen fördern. „Bei den Rahmenbedingungen ist aus Unternehmenssicht das Thema CO2-Bepreisung besonders wichtig“, ergänzte VW-Mann Pfitzner. Nur so könne man die Transformation unter fairen und verlässlichen Bedingungen bewerkstelligen und verhindern, dass emissionsintensive Industrien in Drittländer abwandern. 

    Die Zeit drängt

    Dass es für die Politik gar nicht so einfach ist zu definieren, was grün ist und was nicht, zeigen die Diskussionen um die EU-Taxonomie, dem Nachhaltigkeitslabel der EU. „Sind es die Vorleistungen? Oder zielt man nur auf die Endprodukte ab? Wen wollen wir mit der Green Economy ansprechen?“, skizzierte IW-Wissenschaftlerin Neligan einige der wichtigen Fragen. Sie plädiert für industriespezifische Ansätze, um den Strukturwandel  zu unterstützen. Doch die Zeit drängt, weil die Politik das Thema Transformation in den vergangenen Jahren viel zu zögerlich angegangen ist, wie Nallinger kritisierte: „Die große Herausforderung besteht darin, dass wir jetzt alles gleichzeitig umsetzen müssen, also eine Kreislaufwirtschaft etablieren, den Energiesektor umbauen und auf nachhaltige Produkte umstellen.“ Denn wenn wir unsere Klimaschutzziele erreichen wollen, müssen wir in den kommenden Jahren jährlich etwa 35 bis 40 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen einsparen. Das ist etwa dreimal so viel wie derzeit. 
    DF22 Feb Sabine Nallinger
    © Stiftung Klimawirtschaft / Sabine Nallinger
    Die große Herausforderung besteht darin, dass wir jetzt alles gleichzeitig umsetzen müssen, also eine Kreislaufwirtschaft etablieren, den Energiesektor umbauen und auf nachhaltige Produkte umstellen.
    Sabine Nallinger
    Vorständin, Stiftung KlimaWirtschaft, Berlin
    Sorge bereiten der Stiftungsvorständin die hohen Energiepreise auf den Weltmärkten. Sie führen dazu, dass sich kaum ein Politiker derzeit an eine eigentlich nötige höhere CO2-Bepreisung heranwagt. Einig waren sich die Referierenden, dass Atomstrom keinen Ersatz für Erneuerbare Energien darstellt, auch wenn die EU jüngst Kernkraft als grün eingestuft hat. Auch Gas könne allenfalls für eine begrenzte Zeit noch eingesetzt werden, um den Ausstieg aus der Kohle zu erleichtern. 

    Die Rolle von Konsumenten

    Ob Konsumverzicht die Welt vor dem Klimakollaps retten kann, beurteilten die Podiumsgäste skeptisch. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir die Weltwirtschaft anhalten oder bremsen können, das wäre den Schwellenländern mit ihrem Nachholbedarf schwer zu vermitteln“, gab Neligan zu Bedenken. „Dem Thema Verzicht muss sich jeder individuell stellen und sich fragen, welche Werte habe ich, wofür und was konsumiere ich“, ergänzte Pfitzner. Die unternehmerische Aufgabe könne nur darin bestehen, ein Bedürfnis möglichst effizient zu befriedigen. „Ich hoffe zumindest, dass wir als Gesellschaft aus den Einschränkungen während der Pandemie gelernt haben, dass Verzicht etwa auf Reisen nicht unbedingt ein Weniger an Lebensqualität bedeutet“, so Nallinger.
    DF22 Feb Dr. Adriana Neligan
    © Institut Deutsche Wirtschaft
    Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir die Weltwirtschaft anhalten oder bremsen können, das wäre den Schwellenländern mit ihrem Nachholbedarf schwer zu vermitteln.
    Dr. Adriana Neligan
    Senior Economist für Green Economy und Ressourcen, Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Köln
    Klar ist: Der Übergang zur Green Economy wird der gesamten Gesellschaft viel abverlangen. Aber eine Wirtschaft, die nicht klimaneutral ist, können wir uns noch weniger leisten. Die Kunst besteht darin, ökologische, ökonomische und soziale Belange miteinander in Einklang zu bringen. Oder wie es IW-Expertin Neligan formulierte: „Es sind anspruchsvolle Ziele, viele Unternehmen müssen sich modernisieren oder neu aufstellen und mit wachsender Konkurrenz auf anderen Märkten umgehen. Aber das deutsche Geschäftsmodell mit seinen hochqualifizierten Fachkräften und der Fähigkeit, Nischenmärkte zu verteidigen und ganzheitliche Problemlösungen anzubieten, ist eine Stärke, mit der wir die ökologische Modernisierung schaffen.“

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    „Green Economy – Klimaschutz als Geschäftsmodell“ wurde von Caspar Busse, Süddeutsche Zeitung, moderiert. Rund 100 Zuhörerinnen und Zuhörer haben bei der Online-Veranstaltung teilgenommen. Das nächste Dialogforum findet am 24. März zum Thema „Energiewende 2.0 – Neue Impulse für ein gesundes Klima“ statt. Weitere Informationen dazu finden Sie auf der Übersichtsseite der Dialogforen 2022.