Key Visual DF 2022
© Munich Re Foundation

Energiewende 2.0 - Neue Impulse für ein gesundes Klima

Dialogforum am 24. März 2022
Online

    alt txt

    properties.trackTitle

    properties.trackSubtitle

    Die Energiewende ist eine der wichtigsten Säulen für den Klimaschutz. Laut aktueller Bestandsaufnahmen der neuen Regierung hat Deutschland jedoch in den letzten Jahren deutlich zu wenig getan. Vor allem im Bereich Verkehr und Wärme gilt es aufzuholen. Zusätzlich hat uns der Krieg in der Ukraine in eine energiepolitisch schwierige Lage gebracht. Die Energiesicherheit ist bedroht. Deshalb ist eine Energiewende 2.0 dringlicher denn je, um uns aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu lösen und gleichzeitig den Klimawandel zu bremsen. Die Experten auf dem 3. Dialogforum der Reihe „Smarte Lösungen für den Klimaschutz“ diskutierten Voraussetzungen und Möglichkeiten, um einer nachhaltigen Energiewirtschaft neue Impulse zu verleihen. 

    Konflikte um fossile Energien

    „Jetzt zahlen wir den Preis für die verschleppte Energiewende“, monierte Dr. Claudia Kemfert, Energie-Ökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und Professorin an der Leuphana-Universität Lüneburg. „Wir sind in einer Lage, die so ernst ist wie noch nie in meinem Leben“, machte sie deutlich. „Vordergründig mag es beim russischen Angriff auf die Ukraine um einen regionalen Konflikt gehen, weltpolitisch befinden wir uns aber inmitten eines Krieges um fossile Energien.“ Deshalb müsse man alle Hebel in Bewegung setzen, um im Zeitraffer von den fossilen Brennstoffen wegzukommen. „Bis 2030 kann eine Vollversorgung aus Erneuerbaren Energien im Strombereich gelingen. Eine vollständige Versorgung aller Energiebereiche bis 2035 ist machbar sowie dringend geboten“, so die Expertin. Ihre Empfehlungen an die Politik: Alle Projekte im Bereich Erneuerbare Energien beschleunigen, Genehmigungsverfahren vereinfachen, Abstandsregeln für Windräder abschaffen und genügend Fachkräfte für die Energiewende ausbilden. Viel Potenzial sieht sie zudem beim Energiesparen. „Das sind die niedrig hängenden Früchte, um die Krise zu bewältigen.“  
    DF22 Mär - Claudia Kemfert
    © Oliver Betke
    Vordergründig mag es beim russischen Angriff auf die Ukraine um einen regionalen Konflikt gehen, weltpolitisch befinden wir uns aber inmitten eines Krieges um fossile Energien.
    Prof. Dr. Claudia Kemfert
    Leiterin, Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW), Berlin
    Ihre Besorgnis über die derzeitige Lage brachte auch die Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Klimaschutz und Energie von Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Ingrid Nestle, zum Ausdruck: „Wir befinden uns energiepolitisch in einer ernsteren Lage, als es in breiten Teilen der Bevölkerung wahrgenommen wird.“ Der wertvolle Schatz Energiesicherheit der vergangenen Jahrzehnte sei verloren gegangen, wir stünden vor schwierigen Wintern. Wie bei der Corona-Pandemie sei die gesamte Gesellschaft zum Handeln aufgerufen, um aus dieser bedrohlichen Situation herauszufinden. Mehr Erneuerbare Energien und Effizienz sowie höhere Einsparungen seien die kostengünstigsten und langfristig wirksamsten Antworten auf die derzeitige Energie- und Klimakrise. 

    Strategie des Festhaltens und Loslassens

    Für Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Deutschen Energieagentur dena, besteht die grundlegende Transformation unserer Energiesysteme aus vielen kleinen Schritten. Auch er glaubt, dass dies nur gesamtgesellschaftlich zu erreichen sei und plädierte für eine Strategie des Festhaltens und Loslassens: „Wir müssen an den mittelfristigen Klimazielen festhalten, aber genügend Flexibilität aufbringen, um unsere Pläne und Vorstellungen an die neuen Realitäten anzupassen.“ Weil sich die Anforderungen an die Energiewende und den Klimaschutz verändern, müssten Forschung und Innovationen vorangetrieben werden. Denn die Vorstellung, dass wir bereits über alle Technologien verfügen, die wir für die Transformation benötigen, sei falsch. 
    DF22 Mär - Andreas Kuhlmann
    © DENA-Photothek
    Wir müssen an den mittelfristigen Klimazielen festhalten, aber genügend Flexibilität aufbringen, um unsere Pläne und Vorstellungen an die neuen Realitäten anzupassen.“
    Andreas Kuhlmann
    Vorsitzender der Geschäftsführung, Deutsche Energie-Agentur (dena), Berlin
    Ein zusätzlicher Schub wäre beispielsweise im Bereich Wasserstoff nötig: „Wir brauchen ihn schnell, verlässlich und in großen Mengen, um die Erfolgsstory der Erneuerbaren Energien fortzuschreiben und Klimaneutralität zu erreichen“, erklärte Dr. Sopna Sury, die in der RWE Generation SE als Vorständin für Wasserstoffwirtschaft zuständig ist. Sein besonderer Vorteil: Er kann als Speichermedium genutzt werden und hat ein breites Einsatzspektrum in der Industrie oder im Verkehr. Sury lobte, dass im Koalitionsvertrag der Bundesregierung das Ziel für die Elektrolyse-Kapazität für Wasserstoff bis 2030 auf 10 Gigawatt verdoppelt wurde. Doch auch das würde noch zu kurz greifen. Zum Vergleich: Für Photovoltaik wird im Koalitionsvertrag eine Gesamtkapazität von 200 Gigawatt bis 2030 angestrebt. Zugleich verwies die RWE-Managerin auf die zähen Genehmigungsverfahren sowie auf den schleppenden Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur. „Je rascher der Wasserstoffmarkt hochläuft, desto schneller wird grüner Wasserstoff, der mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen wird, wettbewerbsfähig“, gab sie zu bedenken. Doch leider stelle sich die EU in manchen Bereichen wie Gesetzgebung, Planung und Genehmigungsverfahren selbst ein Bein. „Wir brauchen jetzt pragmatische Lösungen“, forderte sie. 

    SDG-Ziele mit berücksichtigen

    „Der Dreiklang aus Erneuerbaren Energien, Sparen und Wasserstoff ist der richtige Weg“, pflichtete Kuhlmann bei. Da Ökostrom die Grundlage von allem sei, brauche man ihn in großen Mengen, sonst komme man mit grünem Wasserstoff nicht weit. Der dena-Geschäftsführer forderte zudem, beim Umbau der Wirtschaft nicht nur den Klimawandel vor Augen zu haben, sondern auch die Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung (SDG) zu berücksichtigen. „Da geht es um Gesundheit, soziale Gerechtigkeit und Frieden. Die Frage ist, wie kommen wir dahin?“
    DF22 Mär - Ingrid Nestle
    © Gunnar Dethlefsen
    Wir haben es als Gesellschaft in der Hand, wie schlimm die (Energie-) Krise wird, wobei man im Vergleich zu Corona sogar weniger Opfer bringen müsste.
    Dr. Ingrid Nestle
    Bundestagsabgeordnete, AG-Leiterin und Sprecherin für Klimaschutz und Energie, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Berlin
    Ein Bereich, der bei der Energiewende oft vergessen wird, ist die Landwirtschaft. „Dabei zählt die Düngemittelindustrie zu einem großen Gasverbraucher“, gab die Bundestagsabgeordnete Nestle zu bedenken. „Auch bei der Ernährung müssen wir nachhaltiger werden“, forderte Kemfert, seien es alternative Anbaumethoden oder ganz einfach die Reduktion des Fleischkonsums. Damit wäre viel gewonnen, ohne groß auf etwas verzichten zu müssen. Die DIW-Expertin plädierte zudem dafür, den Menschen den Ernst der Lage klar zu machen und die kausalen Zusammenhänge zu verdeutlichen: „Die Energiepreise steigen nicht wegen der Energiewende, sondern weil wir uns in eine Abhängigkeit von Kohle, Gas und Öl manövriert haben“, verdeutlichte sie. Ihre Empfehlung an die Politik: „Gerade beim Energiesparen könnten wir viel schneller sein.“ Zudem müssen man wie in der Pandemie Frühindikatoren definieren, anhand derer man überprüfen könne, ob man sich auf dem energiepolitisch richtigen Pfad bewege.

    Es hängt von uns allen ab

    Ist die Politik in Deutschland derzeit auf dem richtigen Weg? „Die Ziele sind höchst ambitioniert, und natürlich ist es schwierig, die unterschiedlichen Vorstellungen unter einen Hut zu bringen“, verdeutlichte Kuhlmann. „Es hängt von uns allen ab“, ergänzte Nestle, weil die Politik sich immer auch an den Strömungen im Land orientiere. Sie verwies auf das sogenannte Osterpaket 2022. 
    DF22 Mär - Sopna Sury
    © RWE
    Wir brauchen einen strategischen Fahrplan und detaillierte Transitionspfade, wie wir die Ziele Klimaneutralität und Versorgungs- sicherheit mit grünen Energien erreichen. Wenn wir beides beachten, bin ich sehr zuversichtlich, dass es auch gelingen wird.
    Dr. Sopna Sury
    Chief Operating Officer Hydrogen, RWE Generation SE, Essen
    Die erste Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) soll viele Erleichterungen für die Photovoltaik bringen. „Es werden weitere Pakete folgen, um auf die neue Dringlichkeit aufgrund des Ukraine-Konflikts zu reagieren“, stellte Nestle in Aussicht und ergänzte: „Wir haben es als Gesellschaft in der Hand, wie schlimm die Krise wird, wobei man im Vergleich zu Corona sogar weniger Opfer bringen müsste.“ „Die Zeit, in der wir immer nur Ziele formuliert haben, ist vorbei, jetzt geht es ans Umsetzen“, machte Kuhlmann klar. Oder wie es die RWE-Managerin Sury formulierte: „Wir brauchen einen strategischen Fahrplan und detaillierte Transitionspfade, wie wir die Ziele Klimaneutralität und Versorgungssicherheit mit grünen Energien erreichen. Wenn wir beides beachten, bin ich sehr zuversichtlich, dass es auch gelingen wird.“ 

    *******************************************************

    Das Dialogforum  „Energiewende 2.0 – Neue Impulse für ein gesundes Klima“ wurde von Christopher Schrader, Wissenschafts-Journalis aus Hamburg, moderiert. Rund 120 Zuhörerinnen und Zuhörer durften wir bei diesem Dialogforum im Onlineformat begrüßen. Das nächste Dialogforum findet am 26. April 2022 zum Thema „Licht aus, Heizung runter, rauf aufs Rad – Was ist Dein Beitrag zum Klimaschutz?“ statt.  
    2018 Dialogforum
    © Munich Re Foundation / Oliver Jung