
Riesterflop, Hartz IV und Kinderarmut – Wohin steuert Deutschland? Wohin treibt die EU?
Dialogforum am 4. April 2019
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In Deutschland gab es noch nie so viele Jobs wie zur Zeit. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn Alters- und Kinderarmut sind wachsende Bedrohungen, und die Kluft zwischen arm und reich wird immer größer. Wie geht unsere Gesellschaft damit um? Wie wirksam sind die Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut?
Pension-Gap zwischen Männer und Frauen
„Heutige Rentnerinnen bekommen etwa halb so viel Geld wie ihre Männer“, beklagte Vaillant. Vielen der heute beschäftigten Frauen werde es nicht anders ergehen, da sie häufig nur atypische Arbeitsverhältnisse wie etwa befristete Verträge hätten und weniger als Männer verdienten. „In keinem anderen Land der EU ist der Gender-Pension-Gap so groß wie bei uns“, verdeutlichte die Journalistin. Sie kritisierte die Politik, die sich zu wenig diesem Problem widme und stattdessen die Verantwortung für Armut dem Individuum aufbürde. Die Gesellschaft müsse eine Lösung dafür finden, dass die Arbeit von Frauen künftig mehr wertgeschätzt werde. Denn mehr Rentengerechtigkeit für Frauen schaffe eine gerechtere Gesellschaft für alle und vermindert damit Armut.

Die kapitalgedeckte Altersvorsorge müsse öffentlich und nicht privat organisiert werden, fordert Habeck im Gespräch mit Hagelücken und Vaillant.
Mehr Zuverdienst unter Hartz IV
Um diesem Wohlstandsverlust entgegenzuwirken, müsse man den Niedriglohnbereich austrocknen. Der Hebel dazu wäre, den Menschen unter Hartz IV mehr Geld von einem möglichen Zuverdienst zu lassen anstatt bis zu 90 Prozent des Zuverdienstes auf die Sozialleistung anzurechnen. „Würde man diese Transferentzugsrate auf 70 Prozent absenken, würde das dem Staat in der Summe vielleicht 20 bis 30 Milliarden Euro kosten, also etwa so viel, wie die Abschaffung des Solidaritätszuschlags“, verdeutlichte Habeck. Es wäre aber sinnvoll verwendetes Geld, da es die Kluft zwischen arm und reich verringern würde.

Die Gleichstellung von Frauen und Männern müsse auch sozial eingelöst werden, sonst sei es die Gleichstellung von Besserverdienenden, argumentiert Vaillant.
Weil die gesetzliche Rente für die Mehrheit der Deutschen nach wie vor die wichtigste Stütze der Altersversorgung bleibt, plädierte Vaillant für einen Umbau des Systems nach niederländischem Vorbild. Es besteht im Wesentlichen aus einer Grundrente für alle, einer betrieblichen Zusatzversicherung für Arbeitnehmer und einer Ergänzung durch private Altersvorsorge. „Das Beispiel Niederlande zeigt, dass man ein Rentensystem schaffen kann, das wirklich armutsfest ist“, erklärte sie. „SPD und Grüne haben bereits Vorschläge gemacht, die in Richtung des niederländischen Modells zeigen“, ergänzte Habeck. Letztlich sei dies eine Diskussion um das Grundeinkommen, das auch in seiner Partei umstritten sei.
Vereinigte Staaten von Europa nötig
Wenn die Nationalstaaten bei der sozialen Frage versagen, vielleicht schafft es ja Europa. Dazu wäre es erst einmal nötig, dass die einzelnen Länder Kompetenzen abgeben, was auf großen Widerstand trifft. Doch letztlich gibt es dazu keine Alternative, glaubt Habeck: „Wir müssen die guten Ansätze in Europa weiterentwickeln, nicht nur wie bisher in den Bereichen Umwelt und Landwirtschaft, sondern auch im Steuer- und Sozialbereich. Bleiben wir stehen, zerfällt uns das Ding“, prophezeite er. In einer ferneren Zukunft – so Habeck – werde es auf eine föderale europäische Republik hinauslaufen wird. Denn angesichts transnationaler Märkte, Unternehmen und Krisen brauche man auch transnationale Souveränitätsrechte. „Ich kann mir die Vereinigten Staaten von Europa gut vorstellen“, ergänzte Vaillant. Dabei dürfe man lokale Identitäten und die nationalstaatliche Identifikation aber nicht vernachlässigen.

Habeck plädiert für eine öffentliche Investitionsoffensive für Deutschland und Europa.
Das letzte Dialogforum der Reihe 2019 findet am 9. Mai zum Thema „Arm in der reichen Stadt – „Über“-Leben in München“ statt.
10. April 2019