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CO2 - Wertstoff oder Klimakiller?

Dialogforum am 15 April 2021

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    Wenn wir uns alleine darauf verlassen, weniger CO2 zu emittieren, werden wir wahrscheinlich das im Abkommen von Paris vereinbarte Klimaziel verfehlen. Doch es gibt technische Lösungen, um CO2 aus der Atmosphäre zu filtern. Was ist möglich, wo liegen die Hindernisse? Einen Einblick dazu gaben die Expert*innen auf dem 4. Dialogforum 2021 der Reihe „Kleine Dinge, große Wirkung“. 

    Laut Umweltbundesamt ist die globale Konzentration von Kohlendioxid (CO2) seit Beginn der Industrialisierung um gut 44 Prozent gestiegen, was zur Erderwärmung beiträgt. Deshalb hat sich Deutschland das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 die CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 in etwa zu halbieren. Bis 2050 wird eine weitgehende Treibhausgasneutralität angestrebt. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und mit mehr Energieeffizienz ist ein Anfang gemacht. Doch Expert*innen, wie etwa die von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech, sind der Meinung, dass Deutschland die Nutzung und Speicherung von CO2 mit Hilfe sogenannter CCUS-Technologien (Carbon Capture, Usage and Storage oder Kohlenstoffabscheidung, -verwendung und -speicherung) als Optionen des Klimaschutzes fortentwickeln muss, um das 1,5-Grad Ziel einzuhalten. Über die reine Reduktion von Emissionen werden wir das Ziel nicht erreichen. 

    Beuttler
    © MRF / Beuttler
    CO2-Abscheidung aus der Luft ist essentiell für die Erreichung der globalen Klimaziele. Wichtiger als der Preis ist die frühzeitige Skalierung.
    Christoph Beuttler
    Climeworks

    Kohlendioxid als wertvoller Rohstoff

    „Wir haben unvorstellbar große Mengen an CO2 emittiert. Die Abscheidung aus der Luft ist essenziell, um die globalen Klimaziele zu erreichen“, ist Christoph Beuttler von der Firma Climeworks überzeugt. Sie ist eines der weltweit führenden Unternehmen zur Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre. Das mit Hilfe von containergroßen „Staubsaugern“ gewonnene Kohlendioxid kann entweder durch Speicherung vollständig aus der Luft entfernt (CCS) oder als Rohstoff (CCU) wieder genutzt werden.

    Verwendung für das gewonnene CO2 hat beispielsweise Dr. Doris Hafenbradl, Geschäftsführerin bei der Electrochaea GmbH in Planegg bei München. Das Startup  hat eine Power-to-Gas-Technologie entwickelt, bei der mit Hilfe von Strom aus erneuerbarer Energie und Mikroorganismen CO2 in Methan umgewandelt wird. Das Methan kann dann direkt ins Gasnetz eingespeist werden. „Wir können unseren Prozess als Speichertechnologie verwenden, bei der grüner Strom in Gas umgewandelt und im Gasnetz gespeichert wird. Bei Bedarf lässt sich dieser Prozess dann wieder umkehren“, erläuterte sie. Oder man verwertet das Gas auf herkömmliche Art zum Heizen oder Kochen. Woher das CO2 stammt, ist letztlich egal: ob aus Deponien, Biogasanlagen oder aus der Zement- und Stahlindustrie. 

    Hafenbradl
    © Electrochaea GmbH
    Energiewende braucht erneuerbaren Strom UND erneuerbares Gas. Uralte Mikroorganismen leisten ihren Beitrag um beides zu ermöglichen.
    Doris Hafenbradl
    Electrochaea GmbH

    Anreize zur CO2-Vermeidung

    „Die CO2-Nutzung kann eine Einstiegsluke für ambitionierte Klimaschutzpfade sein. Aber finanzielle Anreize sollten immer auf die Vermeidung oder Entnahme von CO2 gerichtet sein und nicht auf die Nutzung per se“, fordert daher Prof. Sabine Fuss, Leiterin der Arbeitsgruppe Nachhaltiges Ressourcenmanagement und globaler Wandel beim Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin. Es macht einen großen Unterschied, ob das CO2 aus der Atmosphäre oder vom Kohlekraftwerk stammt und wie der nötige Strom dafür gewonnen werde. „Außerdem kommt es darauf an, wie langlebig das Produkt ist“, so Fuss. Denn ein synthetischer Kraftstoff entlässt das gebundene CO2 rasch wieder in die Atmosphäre. Daher müsse man genau hinsehen, wenn es um CCU als Klimaschutzmaßnahme geht. 

    „Die Vorstellung, dass man aus dem hässlichen Klimagas etwas Tolles machen kann, ist natürlich sehr attraktiv“, ergänzte Dr. Barbara Olfe-Kräutlein vom Institute for Advanced Sustainability Studies in Potsdam. Auch weil die Produkte wie Treibstoffe, Kunststoffe, Chemikalien, Dünger oder Proteine für Nahrungsmittel so vielfältig seien. Deshalb könne man keine pauschale Antwort über Sinn oder Unsinn der CCU-Technologie geben, sondern müsse jede Anwendung einzeln betrachten. „Wenn das Ziel lautet, kohlenstoffnegativ zu werden, dann muss man es der Atmosphäre entziehen.“ Beschränke man sich hingegen allein auf die CO2-Reduktion, seien auch andere Quellen möglich. 

    Fuss
    © MRF/ MCC
    CO2-Nutzung kann eine Einstiegsluke für ambitionierte Klimaschutzpfade sein, aber Anreize sollten stets auf Vermeidung oder Entnahmen von CO2 gerichtet sein und nicht die Nutzung per se.
    Sabine Fuss
    Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) 

    Kosten werden sinken

    Die große Frage lautet, wie wirtschaftlich solche Prozesse sind. Bislang, so Beuttler, könne man mit Kosten von 600 bis 800 Dollar pro Tonne nicht mit dem Marktpreis von fossilem CO2 konkurrieren. „Wir stehen am Anfang der Technologie und gehen davon aus, im Lauf der Zeit in den Bereich von 100 Dollar pro Tonne vorzustoßen.“ Bis es soweit sei, gebe es Kunden, die aus Marketinggründen durchaus bereit seien, höhere Preise für CO2 zu zahlen, das aus der Atmosphäre gewonnen werde. Auch seien die Kosten nicht das entscheidende Argument, wenn die Alternative lautet, die Klimaziele zu verfehlen.

    Anreize könnte die Bepreisung von CO2 bieten, wobei es laut Klimawissenschaftlerin Fuss nötig ist, sich auf das vermiedene oder der Atmosphäre entzogene CO2 zu beziehen und nicht auf die benutzte Menge. Auf längere Sicht wäre es sinnvoll, CCU in das Emissionshandelssystem einzubinden. „Letztlich muss man eine CCU-Förderung immer ganzheitlich betrachten", merkte sie an. Bestimmte Technologien seien nur dann sinnvoll, wenn der Energiesektor schnell genug dekarbonisiert ist. Daher sei ein sektorübergreifender Klimaschutzplan nötig, und man müsse genau messen, wie viel CO2 sich mit welchen Maßnahmen vermeiden lasse. 

    „Wir haben von den Fördermöglichkeiten in Deutschland und Europa profitiert, um unsere Power-to-Gas-Technologie zu entwickeln“, räumte Hafenbradl ein. Mit Beginn der kommerziellen Phase werde es aber schwieriger, weil man die Technologie in großem Stil einsetzen müsse, damit sie ihre Wirkung entfaltet. „Da hoffen wir, dass nicht zuerst alles bis ins kleinste regulatorische Detail geprüft sein muss, sondern dass etwa wie in Kalifornien Anreize geschaffen werden, um mit unserem Verfahren rasch den CO2-Fußabdruck von Deponien oder Biogasanlagen zu verkleinern.“

    Olfe-Kräutlein
    © MRF/ Olfe-Kräutlein
    CO2-Nutzungstechnologien können uns helfen, gesellschaftliche Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Wie genau ein solcher Beitrag aussehen kann, muss jedoch für jede Anwendung individuell analysiert werden, denn hiervon hängt auch ab, ob und wie Entwicklung und Implementierung unterstützt werden sollten.
    Barbara Olfe-Kräutlein
    Institute for Advanced Sustainability Studies  Potsdam

    Irrationalen Ängsten entgegenwirken

    Das breite Spektrum der Förderlandschaft zeige, dass die Politik erkannt hat, welches Potenzial in der CCU-Technologie steckt und dass sie keineswegs nur eine Brücke hin zu CCS bedeutet, ist Olfe-Kräutlein überzeugt. Sie gab aber zu bedenken, dass die Speicherung von CO2 in Deutschland auf wenig gesellschaftliche Akzeptanz treffe. Irrationalen Ängsten vor Lecks oder der Erdbebengefahr sei schwer beizukommen. „Allerdings findet auch hier ein Umdenken statt, sodass wir, sobald das Thema wieder mehr Relevanz erlangt, auf eine sachliche Bewertung des Verfahrens hinwirken können.“ Anders sei es bei CCU-Technologien, die in der Bevölkerung kaum bekannt seien, aber wenn, dann auf positive Resonanz stoßen.

    „Wir sollten uns darüber klar sein, dass es keine perfekten Lösungen gibt“, machte Beuttler deutlich. „Aber wir wissen auch, dass wir die Klimaziele verfehlen, wenn wir CO2 nicht in großem Stil aus der Atmosphäre entfernen.“ Und weil es ein höchst komplexes Thema sei, das sich nicht für den Stammtisch eigne, sollte man den Expert*innen vertrauen. „Es ist keine Frage von wollen, sondern wir müssen jetzt loslegen“, appellierte er und fügte hinzu: „Wir haben die Möglichkeit, mit den CCUS-Technologien und weniger CO2-Emissionen das Ruder herumzureißen. Das ist unsere letzte Chance, dem Klimawandel zu begegnen.“ 

     

    Das nächste Dialogforum findet am 20. Mai 2021 zum Thema "5G, WLAN und Infrarot - Unsichtbare Strahlung, unsichtbarer Feind?" statt. 

     

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    20. April 2021

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